Gerade habe ich
Dead Rising 3 "beendet". Ich schreibe "beendet", weil ich mit Ending F (Zeit lief ab) in Kapitel 6 "abgeschlossen" habe. Doch dazu gleich mehr.
Zuerst zum Lob:
Dead Rising 3 bietet locker das umfangreichste Zombie-Vernichtungs-Gameplay der Serie - oder heutigen Videospielen allgemein. Die Menge an Zombies in diesem Spiel ist absolut irre. Im Zuge meines Durchgangs hatte ich knapp 11.000 Kills - das meiste davon nur vom Herumfahren. Ebenso groß ist die Vielfalt an Zombie-Vernichtungsgeräten. Vor allem die tausenden neuen Combo-Waffen möchte ich fast als Overkill bezeichnen. Die Welt ist groß und lädt in bester Dead-Rising-Manier zum Erkunden ein. Langweilig wird's zu keiner Zeit, da es auch abseits des Überlebenskampfes bis zur Zerstörung der Stadt mehr als genug zu tun gibt.
Und jetzt zu meiner umfassenden Kritik.
• Das Stadtbild: das pure Grau-en.
Schlimmer hätten die Entwickler bei der Art Direction fast nicht daneben hauen können: Wie bei
GTA IV wurde eine farbenfrohe, abwechslungsreiche, "wacky" Parodie unserer realen Gegenwart durch ein langweiliges Ödland ersetzt, das neben etlichen gleich aussehenden Häusern und Straßen vor allem eines bietet: grau, silbergrau, eisengrau, olivgrau, kieselgrau, braungrau, blaugrau, khakigrau, betongrau und schwarzgrau. Ich habe "Fifty Shades of Grey" nie gelesen, nehme aber an, dass es sich um eine Komplettlösung zu diesem Spiel handeln muss. Wie bei
GTA IV ist dieser Tick hin zur düsteren, trockenen "Grittiness" der völlig falsche Ansatz - was Rockstar immerhin erkannt und in
GTA V ausgeräumt hat.
• Das Gameplay: Dead Island Reloaded
Obwohl viele typische Dead-Rising-Elemente präsent sind, entstammt das Core-Gameplay diesmal eindeutig Techlands Dead-Island-Serie, was im Klartext heißt: Ihr lauft durch die Gegend und erledigt Fetch-Quests. Kein einziger NPC in diesem Spiel lässt sich "freiwillig" von euch retten, stattdessen müsst ihr ihnen irgendetwas bringen oder etwas für sie erledigen (meist ersteres). Diese Fetch-Quests sind an Stupidität und Monotonie oft kaum zu überbieten. So lauft ihr quer durch die Stadt, um für eine junge Dame Spraydosen zu sammeln oder besorgt einer ehrgeizigen Anwältin ihre Aktentasche. Diese Missionen taugen nicht einmal als Apokalypse-Parodie ("Schau dir den an, die Welt geht unter und der will eine Cola von mir, sonst lässt er sich nicht retten - wie KRÄSI, Alta!"
), sondern sind einfach hirnrissig, sägen an der Immersion und - sowohl in-game, als auch real - Zeitverschwendung. Natürlich sind auch Psychopathen wieder präsent. Spätestens an dieser Stelle beginnt der Spieler endgültig zu erkennen, wieso Dead Rising 3 mehr mit Dead Island als mit seinen Vorgängern gemein hat.
Viele der Psychopathen in diesem Spiel sind so unschaffbar schwer, dass sie ohne Coop-Partner nur dann besiegt werden können, wenn man über einen sehr hohen Level und die entsprechende Bewaffnung (bzw. über die entsprechenden Baupläne, um sich besagte Bewaffnung zu verschaffen, weil man ohne Baupläne - anders als in den Vorgängern - auch dann keine Combo-Waffen bauen kann, wenn man weiß, welche Materialien man dafür benötigt). verfügt. Um das zu veranschaulichen: Fast alle Psychopathen haben nun mehr als einen Lebensbalken, d.h. wenn seine "erste" Energieleiste unten ist, geht's bei der nächsten weiter. Als wäre das noch nicht genug, bedeutet ein Treffer nicht automatisch, dass euer Gegner einen Block seiner Energieleiste verliert - manchmal hält ein einziger Block bis zu drei Treffern stand, je nach Waffe und Art des Angriffs (bei Melee-Waffen etwa leicht oder hart). Dies wurde zweifellos eingeführt, weil Dead Rising 2 im Coop lächerlich einfach war. Dadurch kostet der Kampf gegen Psychopathen alleine nicht nur extrem viel Zeit - Zeit, die man gerade im Nightmare-Modus nicht hat -, sondern ist auch entsprechend anstrengend, weil man an einen einzigen Psychopathen locker sein gesamtes Inventar an Waffen verbrät und dann schauen muss, wo man Ersatz herbekommt.
Deshalb stehe ich Singleplayer-Spielen, die "optional" auch kooperativ gespielt werden können, grundlegend skeptisch gegenüber. Dead Rising 2 war, wie gesagt, im Coop viel, viel, viel zu einfach, weil einem die gleiche Spielerfahrung wie im Solo-Modus vorgesetzt wurde, man diese aber nun zu zweit absolvieren konnte. Genau das passiert leider in sehr vielen solchen Titeln - und einer von beiden Modi, Singleplayer oder Coop, leider jedesmal darunter. Entweder, das Spiel ist alleine viel zu schwer, weil es auf Coop ausgelegt ist (z.B. Borderlands), oder es ist im Coop eben ein Witz. Dead Rising 3
• Das Speichersystem: Zurück in die Steinzeit
Das Speichersystem von
Dead Rising 3 wurde - nachdem Teil 2 endlich mehrere Speicherslots bot - wieder ins Jahr 2006 zurückgeworfen. Ihr habt einen einzigen Speicherplatz. Wollt ihr mehr, müsst ihr ständig manuelle Backups eures Spielstandes erstellen, was zumindest mich so genervt hat, dass ich bei meinem ersten Durchgang direkt aufs Ganze ging - und entsprechend scheiterte (daher Ending F).
• Das Spielgefühl: "broadening the audience"
Wie so viele andere AAA-Franchises fiel auch Dead Rising 3 zumindest teilweise dem "Mass Market Appeal"-Zwang der großen Publisher zum Opfer. Es gibt nun Checkpoints während Missionen, Waffen lassen sich jederzeit und ohne erst zu einer Werkbank eilen zu müssen kombinieren, ihr könnt gerettete Überlebende zu Hilfe rufen, die euch im Kampf zur Seite stehen (wenn auch, dank ihrer Capcom-typisch geringen Intelligenz, mit begrenzter Effektivität, vor allem, wenn's gegen Psychopathen ins Feld geht), nach ein paar Level-Ups kann teilweise (und später 100%) Selbstregeneration der Lebensenergie oder (ab Level 50) unzerstörbare Fahrzeuge freigeschaltet werden, auch das berüchtigte Zeitlimit ist diesmal im Story-Modus derart großzügig, dass man sich schon anstrengen muss, hier ernsthaft etwas zu vergeigen.
Will man eine härtere Spielerfahrung, muss man sich in den Nightmare-Modus begeben, für den man aber aufgrund der wirklich extrem knapp bemessenen Zeitlimits Experte sein muss, um ihn zu schaffen. New Game+ gibt's auf Nightmare auch nicht - erreicht man ein Ending, löscht das System euren Spielstand. Außer, man hat einen Coop-Partner - siehe weiter oben.
• Der Protagonist: American Zombie Movie?
Bisher war Dead Rising in erster Linie die Parodie amerikanische Zombie-Streifen - ohne
Dawn of the Dead hätte es das erste Dead Rising vielleicht nie gegeben (oder es wäre ein völlig anderes Spiel geworden). Alles basierte auf dieser Prämisse - die Spielwelt, NPCs, Psychopathen und der Protagonist. Hier haben wir nun aber das Problem: Dead Rising 3 greift stellenweise zu viele dieser Klischees auf. Am Schlimmsten ist aber der Protagonist, Nick Ramos. Vorbei ist es mit den lässigen, humorigen, teilweise auch zynischen Sprüchen von Charakteren wie Frank West oder Chuck Greene, die beide gegen unmögliche Umstände zu bestehen hatten - stattdessen müssen wir uns pausenlos von "Babyface" zuflennen lassen. Während ihr durch die Spielwelt rennt, kommen alle paar Sekunden mehr oder weniger panische Kommentare wie "Oh man...", "OH MY GAWD!", "HELP!", "Gotta get outta here!", "OH NO!", "I don't wanna end like this", "Oh no, there's more of them", "I'm SO dead", ... - ich würde dem Typ am Liebsten eine runterhauen. ALTER, WTF, DU FEGST DURCH EINE ZOMBIEHORDE MIT 'NEM KOMBINAT AUS MOTORRAD UND DAMPFWALZE, WESHALB ALSO FLIPPST DU DIE GANZE ZEIT AUS? Nick erinnerte mich diesbezüglich ein bisschen an Daniel Lamb aus
Manhunt 2, der (zumindest anfangs) auch herumgeheult hat, obwohl er Menschen brutal mit Kugelschreibern ermordet.
Der Story stehe ich ziemlich ambivalent gegenüber. Ja, wieder einmal haben wir eine Verschwörung voll von Klischees, die schwach erzählt und noch schwächer präsentiert wird, aber, ehrlich, who cares? Da geht mir "Crybaby"-Nick mehr auf den Geist.
Fazit:
Dead Rising 3 macht durchaus Spaß, ist aber für Fans wie mich nur bedingt ein gelungenes Franchise-Sequel. Vieles wurde verschlimmert, relativ wenig wirklich verbessert. Definitiv das schwächste "echte" Dead Rising (die Resident-Evil-4-Mod
"Chop Till You Drop" ist und bleibt der Serien-Tiefpunkt, ist aber kein "richtiger" Ableger, von daher...).